Schwangerschaft ohne Probleme

Der Weg zur sanften Geburt

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DIE ERSTEN NEUN MONATE DES LEBENS

Einführung


Denn es hat kein König einen andern Anfang seiner Geburt; sondern sie haben alle einerlei Eingang in das Leben...

Weisheit Salomonis 7,5-6



Wir sind die erste Generation, die sich ein klares Bild davon machen kann, wie sich unsere Entwicklung von einer einzigen Zelle zu einem Individuum vollzieht, das lange vor seiner Geburt lebendig ist und auf seine Umwelt reagiert. Wir sind auch die ersten, die die vollständige Geschichte unserer frühesten Stunden und Tage kennen. Das reife, aus dem Ovarium kommende menschliche Ei ist zum ersten Mal 1930 gesehen worden. Die Vereinigung der menschlichen Elternzellen, Spermium und Ei, wurde erst vierzehn Jahre später, 1944, beobachtet. Die Ereignisse der Initialen sechs Tage unseres Lebens wurden in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts bekannt. Jetzt, in den sechziger Jahren, fangen wir schließlich an, die komplizierten Zellstrukturen zu entziffern, die unser Erbgut weitergeben.

Leonardo fertigte sehr schöne Zeichnungen eines schlafenden, wartenden Menschenkindes im vorgeburtlichen Leben an. Er glaubte, dass das Herz nicht vor der Geburt anfinge zu schlagen und dass der Urin vor der Geburt durch die eine Ferse vom Ausfließen in die Gebärmutter zurückgehalten würde (oben).


Die Wissenschaft der Embryologie ist verhältnismäßig jung. Die winzige Eizelle der Mammalien (Säugetiere; lateinisch mamma : die Brust) wurde erst im 19. Jahrhundert entdeckt, als 1827 der estnische Biologe Karl Ernst v. Baer das Ovarium eines Hundes unter dem Mikroskop untersuchte. Das Mikroskop war einhundertfünfzig Jahre zuvor entwickelt worden, aber v. Baer erkannte als erster, was anderen vor ihm entgangen war. In seiner Abhandlung De Ovi Mammalium et Hominis Genesi schreibt er:

«Ich sah deutlich... einen gelblich-weißen Punkt... Neugierig geworden, öffnete ich einen der Follikel und nahm das winzige Objekt auf die Spitze meines Messers. Ich stellte fest, dass ich es sehr deutlich sehen konnte. Als ich es unter das Mikroskop legte, war ich äußerst überrascht, denn ich sah eine unreife Eizelle, und zwar so deutlich, dass selbst ein Blinder sie kaum hätte übersehen können.»

Die Embryologie ist als Wissenschaft zwar jung, doch das Interesse für die embryonale Entwicklung besteht schon lange. Vor mehr als zweitausend Jahren beobachtete Aristoteles die Entwicklung eines Kükenembryos; ohne Mikroskop aber konnte er die sehr feinen Strukturen der ersten Entwicklungsstadien nicht erkennen. Aus seinen Beobachtungen schloss er, dass der menschliche Embryo aus einer «Beimischung der männlichen Samenflüssigkeit zum Menstrualblut» entstehe. Im Prinzip war diese Überlegung korrekt, doch irrte er in einem Punkt. Er glaubte, dass ausschließlich das Weibliche die Substanz des Embryos bestimme und das Männliche nur das Wachstum stimuliere. Fünfhundert Jahre später, im zweiten Jahrhundert n. Chr., gab der griechische Arzt Galen eine andere, im wesentlichen unrichtige Interpretation, die mehr als fünfzehnhundert Jahre überdauerte. Galen entwickelte eine Theorie, die später unter der Bezeichnung emboitement bekannt wurde, was soviel wie Einbauung oder Verschachtelung bedeutet. Es entstand die Vorstellung, dass kleine vorfabrizierte Embryonen im <weiblichen Samen> vorhanden seien und dass der Kontakt mit dem Männ lichen lediglich eine Entschachtelung eines solchen Embryos bewirke und ihm dadurch das Wachstum ermögliche. Danach hätte jedes Baby seinerseits ein vorgeformtes Baby in sich enthalten müssen — so wie chinesische Schachteln ineinander stecken.

Diese Illustration des vorgeburtlichen Lebens aus dem 15. Jahrhundert lässt, im Gegensatz zu Leonardo da Vincis Arbeiten, große Unsicherheit in Bezug auf die menschliche Anatomie erkennen.


In gewissem Sinne hatten Galen und jene, die nach ihm die Lehre von der Präformiertheit vertraten, nicht ganz unrecht. Ihre Konzeption war gut, aber zu sehr vereinfacht. Wir wissen heute, dass der Körper eines Kindes nicht so wörtlich in vorgeformtem Zustand in der Mutter enthalten ist. Es ist eine subtilere Erbschaftsmitgift, die von den Eltern an das Kind weitergegeben wird. Diese Mitgift ist in den Genen der Geschlechtszellen enthalten, und ihr Material - von Generation zu Generation weitergegeben - wird von unserem Körper sozusagen treuhänderisch verwaltet. Tatsächlich enthält das Gen-Material symbolisch wie die chinesischen Schachteln das Erbgut unserer Spezies und bestimmt deren Zukunft.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde das Mikroskop erfunden. 1677 konnte der holländische Naturforscher Anton van Leeuwenhoek zum ersten Male eine lebende männliche Samenzelle, das Spermium, in einem Tropfen Samenflüssigkeit sehen. Zur gleichen Zeit hatte ein anderer Holländer, ein junger Arzt, Regnier de Graaf, etwas beobachtet und beschrieben, das «wie Blasen platzte», wenn er die Geschlechtswege eines weiblichen Kaninchens öffnete. Es waren die jungen Zelltrauben, aus denen ein Embryo entsteht. Aber weder de Graaf noch Leeuwenhoek verstanden, was sie gesehen hatten. Sie konnten sich noch nicht vorstellen, dass eine lebende Kreatur aus einer einzigen Zelle entsteht, dass Form aus Formlosigkeit gebildet wird. Dafür löste Leeuwenhoeks Entdeckung der Spermazelle neue Verwirrungen und wissenschaftliche Kontroversen aus.

Im 17. Jahrhundert, kurz nach der Erfindung des Mikroskops, stellte man sich vor, dass eine männliche Spermazelle ein voll ausgebildetes Baby enthielte, auf dessen Kopf bereits die große diamantenförmige Stirnfontanelle des Neugeborenen zu sehen ist. Diese Vorstellung wird auf der obigen Zeichnung deutlich dargestellt. Dadurch entstand ein Meinungsstreit mit den Anhängern der anderen Theorie, die glaubten, dass ein ebenfalls voll ausgebildetes Baby in ähnlicher Weise im Ei der Mutter enthalten sei.

Im 17. und 18. Jahrhundert schieden sich die Biologen in zwei Lager, in die Ovulisten und die Homunkulisten. Beide glaubten an das emboitement . Aber die Ovulisten blieben bei dem alten Glauben, dass das vorgefertigte Baby irgendwie in den mütterlichen Ovarien enthalten sei.

Der Mensch, so sagten sie, stamme von der Mutter ab, das Sperma habe lediglich die Aufgabe, den Anstoß zum Wachstum des von der Mutter geschaffenen Babys zu geben. Die Homunkulisten sagten: Nein! Der Mensch ist im Kopf des Spermiums vorgeformt. Sie zeichneten zur Illustration ihrer Ansicht Bilder, auf denen ein winziger Homunkulus zu sehen war, der - mit gebeugtem Kopf und gekreuzten Beinen — säuberlich in den Kopf des Spermiums eingepasst war. Dieser Homunkulus, so dachten sie, fände seinen Nährboden in der Gebärmutter und wüchse dort wie in einem Brutschrank.

Ovulisten und Homunkulisten führten über fast einhundert Jahre einen intensiven Streit, bis der Anatom Kaspar Friedrich Wolff sein Mikroskop an einem Kükenembryo versuchte und in seiner Hallenser medizinischen Dissertation, 1759 unter dem Titel Theoria Generationis veröffentlicht, endgültig das emboitement sowie Ovulisten und Homunkulisten widerlegte. Statt dessen wartete er mit zwei neuen und richtigen Konzeptionen auf: erstens, dass ein Körper nicht vorgebildet ist, sondern aus <Kügelchen> zusammengebaut wird, und zweitens, dass beide Eltern zu gleichen Teilen etwas zur Substanz des Nachkommen beitragen. Er vermutete das, obgleich die Säugetier-Eizelle noch nicht entdeckt worden war. Mehr als fünfzig Jahre später sah v. Baer sie auf der Spitze seines Labormessers.

Hierdurch erhielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Wissbegierde in der Embryologie neuen Auftrieb. Die volle Bedeutung der Geschlechtszellen wurde aber erst erkannt, als der Botaniker Matthias Schleiden und der Physiologe Theodor Schwann entdeckt hatten, dass jede lebende Form aus einem strukturellen Grundelement des Lebens, der Zelle (lateinisch cella : der kleine Raum), aufgebaut ist. Bald darauf wurden Ei und Spermium des Säugetiers als echte Zellen identifiziert. Jetzt wurde auch verständlich, wie ein Körper - Schritt für Schritt - aus wachsenden Zellen gebildet werden konnte.

Der Mensch ist nur ein Wurm lautet der Titel einer Karikatur aus der Zeitschrift Punch im Jahre 1882. Darin ist eine weit verbreitete Abneigung gegen die Evolutionstheorie zum Ausdruck gebracht. Die Karikatur zeigt den weißbärtigen Darwin, der unglücklich die Menschheit betrachtet, die sich vom Wurm über den Affen zum Höhlenmenschen und schließlich zu einem Dandy mit Zylinder entwickelt.


Nachdem man die strukturellen Details erkannt hatte, kam ein neues Element hinzu, das zu zahlreichen Widersprüchen und Missverständnissen führte und auch heute noch gelegentlich dazu führt, dass die einfachen Embryonalstrukturen mit tierischen Frühstufen verwechselt werden. Dieses neue Element war die Entwicklungslehre. Am 24. November 1859 erschien On the Origin of Species by Means of Natural Selection von Charles Darwin, und die 1250 Exemplare der ersten Auflage wurden innerhalb eines Tages verkauft. Zwölf Jahre später veröffentlichte Darwin The Descent of Man, and on Selection in Relation to Sex [dt. Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl ], In der Einleitung heißt es:

«Viele Jahre lang sammelte ich Notizen über Ursprung oder Abstammung des Menschen ohne jede Publikationsabsicht, eher noch mit der Absicht, nicht zu publizieren, da ich meinte, dass ich sonst nur Anlass zu neuen Vorurteilen gegen meine Ansicht geben würde... dass der Mensch mit anderen organischen Wesen in irgendein gemeinsames System einzuordnen sei, das den Umständen seiner Entstehung auf dieser Erde Rechnung tragen müsse.»

Was für Darwin harmonische Einheit in der Natur war, nahm sich nicht für alle so aus. Die embryonale Ähnlichkeit des Menschen mit seinen Mitgeschöpfen wurde von den Gegnern Darwins missverstanden. Gleichzeitig wurde sie von seinen Anhängern übertrieben. Die Evolutionisten forderten für den menschlichen Embryo Schwanz und Kiemen - eine unrichtige Ansicht, wie wir im Kapitel über den ersten Monat sehen werden.

Bald, etwa um die Jahrhundertwende, fingen einige Biologen an, auch die Entwicklung der Verhaltensweise zu studieren. Nach 1900 begann George E. Coghill die erste systematische Untersuchung über das embryonale Verhalten. Hierfür wählte er das amphibium amblystoma, einen Salamander. In den ersten drei Jahrzehnten unseres Jahrhunderts veröffentlichte Coghill fünfundsechzig wissenschaftliche Mitteilungen sowie ein Buch und verhalf uns damit zum Verständnis der reflektorischen und der vom Willen gelenkten Bewegungen des Menschen.

Die Erkenntnisse aus dem vorigen Jahrhundert sind wie eine Ouvertüre zu dem, was wir in den letzten zehn und zwanzig Jahren dazugelernt haben. Sie gaben das Thema an (alles Leben von einer einzigen Zelle - Übergang von Formlosigkeit zu Form und Funktion in geordneter Folge), überließen aber viele der subtilen Details noch der Entdeckung.

Der Gewinn des Studiums der Embryologie besteht für den Menschen nicht nur darin, dass er seine Neugierde befriedigen kann. Die Erkenntnisse der Biologen können die ärztliche Kunst bereichern. Heute steht die Embryologie vor der Aufgabe, den Mechanismus zu verstehen, der das ordentliche Wachstum beherrscht und steuert, sei es, um Abweichungen von der Norm zu verhindern, sei es, um sie fördern zu können.

Der Gewinn besteht auch darin, dass wir über die <intra-uterine> Mutterschaft die gleiche Einsicht erhalten, wie wir sie heute über die Säuglingspflege schon gewonnen haben. Und vertieftes Wissen kann die Frucht vertiefter Freude tragen.


      



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