Schwangerschaft ohne Probleme Der Weg zur sanften Geburt |
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DIE ERSTEN NEUN MONATE DES LEBENS Der dritte Monat In diesem Monat ist das Baby schon sehr lebhaft, obgleich es nur etwa 30 Gramm wiegt und noch so klein ist, dass es sich leicht in einem Gänse-Ei bewegen könnte. Gegen Ende des Monats kann es mit den Beinen stoßen, die Füße drehen, die Zehen beugen und spreizen, eine Faust machen, den Daumen bewegen, das Handgelenk beugen, den Kopf drehen, schielen, die Stirn runzeln, den Mund öffnen und die Lippen fest zusammenpressen. Es kann die Lippen noch nicht zum Saugen spitzen, aber es kann schon schlucken und tut es oft. Es schluckt von jetzt an bis zur Geburt beträchtliche Mengen der Amnionflüssigkeit. Es kann sogar atmen. Lange bevor sich das Atemkontrollzentrum und das Lungengewebe auf eine richtige Luftatmung eingestellt haben, fängt das Baby schon an, die Ein- und Ausatembewegungen auszuführen. Auf diese Art werden die Lungen mit Amnionflüssigkeit durchspült. (Das Einsaugen der Flüssigkeit ist möglicherweise für die ordnungsgemäße Entwicklung der Lungenbläschen wichtig.) Das Baby ertrinkt dabei aber nicht — wie es nach der Geburt der Fall wäre da es noch unabhängig von der Luftzufuhr' ist. Die Sauerstoffversorgung erfolgt durch die Nabelschnur von der Mutter aus. Die Mutter spürt, von seltenen Ausnahmen abgesehen, ihr lebhaftes Baby noch nicht. Die gerade erst entstandenen Muskeln sind noch schwach. Das Baby ist so klein, dass die Gebärmutter kaum vergrößert ist und noch im Beckengürtel liegt. Nach einem weiteren Monat, in der sechzehnten Woche, ragt der wachsende Uterus über die Beckengrenzen hervor. Dann ist das Baby viel kräftiger, und die Mutter kann wahrnehmen, wie es sich umwendet und gegen ihre empfindlichen Bauchhüllen stößt. Früher nahm man an, das diese ersten <Lebenszeichen> Ausdruck des beginnenden Lebens seien.
Woher wissen wir aber, dass das Baby sich schon bewegt, bevor seine Lebensäußerungen von der Mutter wahrgenommen werden können? Man hat die Bewegungen mit empfindlichen Seismographen feststellen können, die auf dem mütterlichen Abdomen angebracht worden sind. Man hat aber auch die ersten Bewegungen direkt beobachten können. Der Embryologe Davenport Hooker von der Universität Pittsburgh hat mit mehreren Mitarbeitern im Verlauf von dreißig Jahren viele Tausende von Metern an Filmmaterial zusammengestellt. Darin sind die Bewegungen von frühgeborenen Babys festgehalten, zum Teil schon in der sechsten Lebenswoche, die nur kurze Zeit außerhalb der Mutter leben konnten. Alle Abbildungen dieses Buches, auf denen Bewegungen gezeigt werden, sind diesem Filmmaterial entnommen. Der wissenschaftliche Wert dieser Filme liegt darin, dass sie uns zeigen, wie die Entwicklung des Verhaltens Schritt für Schritt der Entwicklung des Körpers folgt und sich gleichsam genau nach dem genetischen Plan vollzieht. Die beiden Grundvoraussetzungen für Bewegung sind Muskeln und Nerven. In der sechsten und siebten Woche fangen Nerv und Muskel an, zusammenzuarbeiten. Wenn die Lippenregion, die als erste berührungsempfindlich ist, vorsichtig gestreichelt wird, reagiert der Embryo mit einer Seitwärtsbeugung des Oberkörpers und einer schnellen Rückwärtsbewegung der Arme. Man spricht von einer Totalreaktion, weil sie den ganzen Körper und nicht den berührten Körperteil betrifft. Lokalisierte und angemessenere Reaktionen wie zum Beispiel das Schlucken nach Berührung der Lippen, setzen erst im dritten Monat ein. Zu Anfang des dritten Monats kann sich das Baby zum ersten Mal spontan bewegen, also ohne berührt zu werden. Manchmal schwingt der ganze kleine Körper für kurze Augenblicke vor und zurück. Wenige Tage später, mit achteinhalb Wochen, werden die Augenlider und Handflächen berührungsempfindlich. Wenn das Augenlid berührt wird, reagiert das Baby jetzt lokal und schielt. Wenn die Handfläche berührt wird, schließen sich die Finger zu einer halben Faust. Zwei Wochen später kann das Baby die Finger schon besser schließen, aber erst mit dreiundzwanzig Wochen kann es fest zugreifen. Wenn es nach der Geburt zweckgerichtete Bewegungen erlernt, dann erweitert es seine Fähigkeit, einen Gegenstand willentlich zu ergreifen/ in der gleichen Reihenfolge, in der sich auch seine pränatalen Fähigkeiten entwickelt hatten. Zuerst streckt das Baby den Arm aus und macht eine halbe Faust, dann lernt es, eine richtige Faust zu machen, und erst später ist es in der Lage, das Gewünschte festzuhalten.
In der neunten und zehnten Woche machen die Fähigkeiten des Babys einen beachtlichen Fortschritt, der sich dadurch erklärt, das sich in diesen beiden Wochen die Anzahl der Nerv/ Muskelverbindungen etwa verdreifacht. Wenn jetzt die Stirn des Babys berührt wird, kann es den Kopf beiseite drehen, die Augenbraue heben und die Stirn in Falten legen. Jetzt kann das Baby vollen Gebrauch von seinen Armen machen und Ellbogen- und Handgelenke unabhängig voneinander bewegen. In der gleichen Woche wird der ganze Körper berührungsempfindlich, jedoch bemerkenswerterweise nicht an den Seiten-, Rücken- und Scheitelpartien des Kopfes. Die Rücken- und Scheitelpartien des Kopfes bleiben noch bis nach der Geburt völlig unempfindlich.
Die zwölfte Woche bringt wieder eine ganze Reihe neuer Fertigkeiten. Das Baby kann jetzt den Daumen in Opposition zu den Fingern bringen. Es lernt schlucken. Es kann auch die Oberlippe anheben, was wie ein Lächeln aussieht, in Wirklichkeit aber eine Vorstufe des Saugreflexes ist. Es wendet sein Gesicht aber noch nicht einem Gegenstand zu, der seinen Mund berührt, wie es das tut, wenn es älter geworden ist. Sein Verhalten ist jetzt anscheinend mehr auf Abkehr als auf Suche eingestellt -eine Tatsache, deren Deutung noch aussteht. Wenn die zwölfte Woche zu Ende geht, hat das Baby einen Meilenstein in seiner Entwicklung erreicht. Davenport Hooker schreibt in seinem Buch The Origin of Overt Behavior : «... dies ist eine wichtige Entwicklungsstufe, denn nun ändert sich die Qualität der Reaktionen. Sie sind jetzt nicht mehr marionettenartig oder mechanisch ... Die Bewegungen werden anmutig und .gleichmäßig wie bei einem Neugeborenen ... Der Fetus ist aktiv, und seine Reaktionen werden heftiger.» Und das alles geschieht, bevor die Mutter die Bewegungen spürt! Jedes Baby zeigt gegen Ende des dritten Monats eine höchst individuelle Verhaltensweise. Die Erklärung ist darin zu sehen, dass die Muskelstruktur von Baby zu Baby verschieden ist. Die Beschaffenheit der Gesichtsmuskeln zum Beispiel folgt einem ererbten Vorbild. Der Gesichtsausdruck des Babys ist schon im dritten Monat dem seiner Eltern ähnlich. Aber ererbte Eigenschaften bestimmen nicht allein, was das Baby tun kann und wie es das tut. Vermutlich spielt auch das Milieu in der Gebärmutter eine Rolle. In einem Bericht über <Early Human Fetal Behavior> schreibt Davenport Hooker: «Im Falle normaler Entwicklung wird das Verhalten durch die Erbanlagen bestimmt. .. Es ist aber bekannt, dass Organe im pränatalen Stadium durch die mütterliche Nahrung oder durch Krankheiten der Mutter verändert werden können. Wenn solche frühzeitigen Veränderungen den neuro-muskulären Mechanismus betreffen, können Verhaltensänderungen die Folge sein.»
Wie wir gegen Ende des vorigen Kapitels gesehen haben, ist die körperliche Entwicklung des Babys nach Vollendung des zweiten Monats im wesentlichen abgeschlossen. Aber der dritte Monat bringt wichtige Verfeinerungen. So entwickeln sich zum Beispiel die Nagelbetten an den Fingerspitzen und tragen bald kleine Fingernägel. Das Gesicht des Babys wird hübscher. Die anfänglich weit auseinanderstehenden Augen nähern sich der Nase. In der neunten Woche schließen sich die Augenlider und halten wie bei einem neugeborenen Kätzchen die Augen vorübergehend verschlossen. Sie bleiben geschlossen, bis das Baby sie im sechsten pränatalen Monat wieder öffnen kann. Die vorher tief sitzenden Ohren wandern in Augenhöhe. Inzwischen haben sich die Rippen und Wirbel in feste Knochen verwandelt. Mädchen und Knaben zeigen jetzt deutlich erkennbare Unterschiede. Die Vulva der Mädchen und der Penis der Knaben haben sich beide aus Gewebsfalten entwickelt, die während der beiden ersten Monate nahezu identisch gewesen sind. Auch die inneren Geschlechtsorgane sind inzwischen gut ausgebildet und enthalten schon primitive Eier und Spermazellen, die Vorstufen jener Zellen, die künftige Babys erzeugen. Die Stimmbänder sind fertiggestellt. Da Luft fehlt, können sie keine Töne hervorbringen; das Baby kann vor der Geburt nicht hörbar schreien, obgleich es lange zuvor die Fähigkeit dazu besitzt. Bei der Geburt muss das Baby saugen und Nahrung aufnehmen können. Im dritten Monat trifft der Körper dazu etliche Vorbereitungen. Am Mund sind die sensitiven Lippen ausgebildet, und die Saugmuskeln der Backen schwellen an. Die Geschmacksknospen und die Speicheldrüsen entstehen, und die beiden Hälften des harten Gaumens treten zusammen und verbinden sich zum Mundhöhlendach. Die Gaumenplatte besteht aus Knochen; sie trennt den Mund von der Nase und ermöglicht gleichzeitiges Essen und Atmen. (Wenn Menschen einen gespaltenen Gaumen haben - zuweilen in Verbindung mit einer Hasenscharte —, dann sind diese Teile im dritten Monat nicht richtig zusammengewachsen.) Das drei Monate alte Baby besitzt arbeitende Verdauungsdrüsen im Magen. Wenn das Baby Amnionflüssigkeit verschluckt hat, werden die darin befindlichen Stoffe von seinem Körper weitgehend aufgenommen. Zur Übung der Funktionen fängt das Baby auch schon gelegentlich an zu urinieren. Die Urintröpfchen sind steril und werden durch den beständigen Austausch der Amnionflüssigkeit beseitigt. Zur Vorbereitung auf die Geburt übt und verbessert das Baby ständig die lebenswichtigen Funktionen des Atmens, Essens und Bewegens. Aber bis es den Anforderungen eines selbständigen Lebens gewachsen ist, muss es noch viel größer und kräftiger werden. Im nächsten Monat, dem vierten, macht es in dieser Richtung große Fortschritte. |
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